Las Vegas – Amerika extrem
Eigentlich heißt es “What happens in Vegas, stays in Vegas”. Wir machen allerdings eine Ausnahme und erzählen Euch von unserer Woche in dieser verrückten Stadt.
Nachdem Trini Bikini und Rakäthe (beide intern auch bekannt unter dem Namen “Poppi”) uns auf ihrem Weg nach Palm Springs in dem kleinen Örtchen Barstow abgesetzt hatten, sind Steffi und ich mit dem Bus weiter durch Fledermausland Richtung Las Vegas gefahren.
Wir sind in Downtown, dem “alten Vegas” angekommen. Hier, in der Freemont Street, hat sich in der Anfangszeit der Kasinos, in den 40er und 50er Jahren, als das Glückspiel noch in Mafiahänden lag, alles abgespielt. Viele alte Kasinos wurden allerdings abgerissen, die Freemont Street wurde teilüberdacht. Wie alle Kasinos der Stadt wird auch hier nun jedes Kasino von einem Unternehmen betrieben. Der Komplex heißt jetzt “Freemont Experience” und hat viel von seinem ursprünglichem Charme vorloren.
Wenigstens ist “Vegas Vic“, der berühmte Cowboy noch da. Allerdings mussten sie ihm einen Teil seines Hutes absäbeln, damit das neue Dach drauf passt.
Schnell ging es weiter zu unserem Hotel.
Affenhitze
Abgestiegen sind wir im Wild Wild West, einem kleinen, günstigen Hotel mit Kasino, das an das alte Vegas erinnert. Das Kasino war ziemlich verraucht, dunkel, und war mit zahlreichen Automaten, Roulette- und mehreren Blackjacktischen ausgestattet. Desweiteren gab es noch die obligatorische Sportwettenecke mit Fernsehern und den Barbereich. Eine astreine Spelunke!
So in etwa, nur in edel, sind auch die großen Kasinos ausgestattet. Es fehlten lediglich die Pokertische im Wild Wild West. Außerdem gab es noch einen kleinen Shop, in dem man allerhand Kitsch als Andenken und Bier kaufen konnte, damit ja kein Olfrygt (= die Angst vor Bierknappheit) aufkommt. Die Angestellten waren sehr nett und im Kasino tummelten sich lediglich Locals und Budgettouristen wie wir. Das Highlight war der Poolbereich samt Whirpool. Hier im Hotel wurde sogar eine Szene aus dem Film “Hangover” gedreht, was wir erst erfuhren, als wir uns den Film nach einigen Tagen mal angeschaut hatten.
Interessanterweise war Vegas die Stadt mit den mit Abstand günstigsten Übernachtungsmöglichkteiten, die wir in den USA bisher gesehen haben. Natürlich nur, wenn man die großen Hotels außer Acht lässt.
Der Las Vegas Boulevard an dem sich alles abspielt, auch “Strip” genannt, war in Laufweite, doch die ersten drei Tage haben wir nur im Hotel und am Pool entspannt. Grund hierfür war vor allem die unglaubliche Hitze, die zur Zeit in Las Vegas herrschte. Tagsüber waren es immer um die 40 °C und Nachts ist es dann auf 26-27 °C “abgekühlt”. Für diese Jahreszeit eindeutig zu hoch.
Eigentlich wollten wir uns auch besser ernähren als zuletzt mit unseren Freunden. Es gab allerdings nur Fast Food Restaurants und Tankstellen in der Umgebung, so dass wir die meiste Zeit im hotelansässigen Diner gegessen haben. Dieser war ganz ok und wir haben versucht, die gesündesten Gerichte auszuwählen.
Ein bisschen Vegas-Flair ist uns bereits an den Tankstellen, an denen wir versucht haben, Lebensmittel (Obst, Trinkwasser) zu kaufen, begegnet. Diese waren immer mit zahlreichen Spielautomaten ausgestattet und die bratzigen, aber freundlichen Damen an der Kasse haben in jedem Satz “Darling“, “Sweetheart“, “Babe” oder “Honey” zu mir gesagt. Für mein norddeutsches Gemüt war das ganz ungewöhnlich, aber ich fand es recht charmant.
Waterboy
Nach drei Tagen haben wir uns also erstmals abends rausgetraut und zum Strip begeben. Wir wollten ein wenig Blackjack und Roulette spielen, uns vorher allerdings auch möglichst viele der großen Kasinos anschauen und etwas essen. So haben wir uns das Excalibur und das Mandalay Bay von innen und das Luxor von außen angeschaut sowie im MGM gegessen.
Beim Essen im MGM habe ich ein kleines Duell mit dem, ich nenne ihn mal “Waterboy“, ausgetragen. Dieser sah aus wie der junge Christiano Ronaldo und sein Job war es, die Wassergläser der Gäste aufzufüllen. Hierbei ist er immer wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Tischreihen gehetzt – seine Augen waren stets nervös auf die Gläser der Gäste fixiert – und hat hastig die Wassergläser aufgefüllt, sobald sie nicht mehr ganz voll waren. Ich fand seine Berufsauffassung sehr beeindruckend (sicherlich wollte er sich dadurch für höhere Dienste empfehlen) und wollte ihn ein wenig testen. Während wir auf das Essen warteten, habe ich immer einen Schluck Wasser genommen, gewartet bis er kam und auffüllte und sofort wieder einen Schluck genommen, solbald er weg war. Es hat nicht lange gedauert, da war das Glas wieder voll! Einmal habe ich nach einer Runde sogar das Glas geext, um ihn vor eine besonders harte Probe zu stellen und so musste er sogar einen neuen Wasserkrug holen, um mir nachzuschenken. Als dann schließich mein Burger kam, hatte ich bereits mit einem schweren Wasserbauch zu kämpfen.
Im MGM hat zufälligerweise an diesem Abend auch der Boxkampf zwischen Mayweather und Berto stattgefunden, so dass es insgesamt sehr voll und viele wohlhabende Menschen vor Ort waren. Mayweather ist wohl derzeit mangels Alternativen die Große Nummer im Boxgeschäft. Wie ich beobachten konnte, gehört es in der Upperclass wohl zum guten Ton, sich ein sehr teures Gericht von der Karte zu bestellen, aber nur ein wenig davon zu essen und mindestens die Hälfte davon stehen zu lassen. Extrem Schmuckbehangen saßen viele von ihnen die ganze Zeit wortlos am Tisch und starrten emotionslos in ihr mit Glitzersteinchen besetztes iPhone 6s, obwohl sie in Gruppen da waren und sich doch eigentlich miteinander beschäftigen müssten. Ich frage mich immer, was diese Leute so umtreibt, welche Probleme und Nöte sie haben. Sind sie glücklich? Ich werde es wohl nie erfahren.
Berto, der Verlierer des Kampfes, kam sogar später ebenfalls in unser Restaurant und hat sich mit seiner zwanzigköpfigen Crew in den VIP-Bereich begeben, vor dem sich dann auch viele Menschen tummelten, um ein Foto mit ihm zu machen. Trotz Niederlage war er sichtlich gut gelaunt – seine Kampfbörse dürfte nicht zu niedrig dotiert gewesen sein.
Zum Spielen sind wir leider nicht mehr gekommen, da Steffi die Hitze und der ganze Trubel auf dem Strip zu schaffen machten und ich das Duell gegen Waterboy letztendlich verloren habe, da er über schier unerschöpfliche Wasserreserven und ich über eine nur sehr begrenzte Blasenkapazität verfügte.
Disneyland für Erwachsene
An diesem ersten Abend auf dem Strip haben wir schon viele Eindrücke sammeln können. Las Vegas ist wirklich sehr beeindruckend, bizarr und auch sehr kontrastreich. Hier ist alles irgendwie extrem. Vergleichbares habe ich bisher nur ansatzweise auf der Reeperbahn gesehen, allerdings ist der Strip wie die Reeperbahn Faktor 10. Also Reeperbahn * 10 = Strip.
Der Strip wird von zahlreichen riesigen Hotel-Kasino-Komplexen umsäumt, jeweils mit mehreren tausend Betten. Insgesamt gibt es in 150.000 Betten in der Stadt. Diese Anlagen sind in der Regel nach bestimmten Themen designt. So zum Beispiel New York (New York New York), das alte Rom (Caesars Palace), Hof Camelot (Excalibur), das alte Ägypten (Luxor), Paris (Paris) oder Südostasien (Mandalay Bay).
Leider darf man in Kasinos nicht fotografieren. Daher konnte ich nicht so viele gute Innenaufnahmen machen.
Alles blinkt, von überall kommt laute Musik, und es sind sehr viele, teils bizarre Leute unterwegs. In den Hotel-Anlagen gibt es neben den Kasinos noch Nachtclubs, Restaurants, Theater, Shows, Bars und Shops. Außerdem werden an jeder Ecke Visitenkarten von Prostituierten verteilt und es gibt viele Stripschuppen. Es fahren prunkvolle Autos und Limousinen Strip hoch und runter und auf dem Bürgersteig sitzen die, die es nicht geschafft haben und müssen betteln. Touristen aus aller Herren Länder und aller Schichten strömen in die Kasinos und versuchen ihr Glück. 40 Millionen pro Jahr bei einer Einwohnerzahl von knapp 1,9 Millionen im Großraum. Die Bewohner Las Vegas spielen übrigens Abseits des Strips in Kasinos wie unserem. Ansonsten gibt es auch, ähnlich wie auf dem Walk of Fame in Hollywood, viele kostümierte Leute (z.B. Batman & Joker, Alan von Hangover, Minion, Schneemann, Doc Evil) und andere Kleinkünstler, die auch ein bisschen vom Kuchen abhaben möchten.
Der Kuchen ist nämlich ziemlich groß: Ein Kasino setzt im Schnitt 4,5 Milliarden US Dollar pro Jahr um. Dem gegenüber steht eine Stadt mit der höchsten Obdachlosenzahl der USA (100.000 Menschen, meist Hispanics oder mit afrikanischen bzw. indigenen Vorfahren), sowie mit knapp 14 % die höchste Arbeitslosenquote des Landes. Kapitalismus in seiner extremsten Ausprägung. Dennoch sehr interessant anzusehen und auf jeden Fall eine Reise wert.
Gambling wie die Profis
Da es an unserem ersten Abend am Strip aus besagten Gründen mit dem Spielen nicht geklappt hat, haben wir uns vorgenommen, am nächsten Abend direkt ein Kasino anzusteuern und loszulegen. Unser Plan war es, zunächst ein wenig Blackjack zu spielen und anschließend noch eine 50:50 Chance beim Roulette wahrzunehmen. Da Steffi erst kürzlich durch Johannes ein wenig Blackjack gelernt hat und ich, eigentlich überhaupt nicht glücksspielaffin, noch nie zuvor Blackjack gespielt habe, mussten wir in dem kleinen Kasino unseres Hotels tags zuvor zunächst ein wenig üben, denn es wurde ein Training mit geringen Einsätzen angeboten.
Dieser Übungsstunde, bei der Steffi ihre 15 Dollar Ruckzuck verspielt hat und ich einen kleinen Gewinn erzielen konnte, folgten noch am Nachmittag ein paar Einheiten mit einer kostenlosen Blackjack-App auf dem Handy. Um für den Ernstfall noch besser gerüstet zu sein, habe ich mir sogar noch eine Tabelle mit grundsätzlichen Strategien so gut es ging eingeprägt.
Abends sind wir dann los ins O’Sheas, ein Tipp vom Vegas-Experten Jojo, da man dort mit geringen Einsätzen spielen kann. Der einzige 5-Dollar-Tisch war dauerhaft belegt und so mussten wir auf einen 10-Dollar-Tisch ausweichen. Dort haben wir gelernt, dass man in Vegas binnen weniger Minuten seine ganze Existenz verspielen kann. Wir haben beim Blackjack zum Glück nur jeweils 50 Dollar gesetzt und noch etwas nachgelegt, denn Steffis 50 Dollar waren innerhalb von 10 Minuten weg. Bei mir sah es sogar zwischenzeitlich ganz gut aus. Ich war runter auf 10, mit ein paar fatalistischen Einsätzen jedoch schnell bei 75, wo ich hätte aussteigen sollen, bis eine Pechsträhne bei zu hohem Risiko einsetzte und ich binnen weniger Spiele auch nichts mehr hatte. So waren mal eben insgesamt 130 Dollar in 15 Minuten verzockt. Verärgert waren wir nicht, da wir das einkalkuliert hatten. Jedoch waren wir schon überrascht, wie schnell das doch ging. Blutige Anfänger!
Neben dem Blackjack hatten wir uns vorgenommen, noch 100 Dollar beim Roulette auf eine Farbe zu setzen. Bei Gewinn wollten wir nochmal das Gleiche machen und danach auf jeden Fall aufhören. Nachdem wir uns mit jeweils einem Gin Tonic, welchen wir kostenlos bekommen haben (Spieler werden von den Kasinos abgefüllt, damit sie mehr Geld verzocken), vom Blackjack-Schock erholt hatten, sind wir zum Roulettetisch gegangen und ich habe die 100 Dollar auf Schwarz gesetzt – und gewonnen! Die 100 Dollar haben wir eingesteckt und den Gewinn durfte Steffi nochmal auf eine Farbe setzen. Obwohl sie zunächst zu Rot tendierte, nam sie ebenfalls Schwarz – und hat gewonnen! Das Glück war auf unserer Seite und so haben wir insgesamt 200 Dollar gewonnen. Die Profis setzen übrigens nie auf Farben! Trotz des Adrenalins und der Euphorie durch das Spielen und den Gewinn haben wir aber aufgehört. Wir sind ja vernünftige Leute. So sind wir mit einem Plus von 70 Dollar aus dem Kasino gegangen. Hurra!
Normalerweise spielen wir nie um Geld, aber wann ist man schon mal in Vegas? Und mit 10 Dollar braucht man da auch nicht anzukommen. Andere spielen um Tausende!
Show Time
Nach diesem Erfolg haben wir uns noch eine Show gegönnt, und zwar “Vegas! The Show” im Saxe Theater. Bei Livemusik, Tanz, Gesang und ein wenig komödianter Varieté wird man hier durch die Geschichte von Las Vegas geführt. Im Prinzip ein Musical, aber es war sehr gut! Beginnend mit den Anfängen des Amüsierbetriebs um Frank Sinatra und das Rat Pack in den 50ern und 60ern, über Elvis, Sonny und Cher in den 60ern und 70ern bis zu Siegfried und Roy in den 80ern und 90ern wurden hier die wichtigsten Akteure imitiert, begleitet von toller Musik und hervorragendem Tanz und Gesang. Alles mit einem hohen Grad an Perfektionismus, sehr gut aussehenden Darstellern und einer Prise Humor, wie zum Beispiel bei dem Kleinkünstler, der zwei Bowlingkugeln zusammen mit einem m&m’s jongliert hat und dabei ein paar Sprüche rausgehauen hat. Obwohl alles andere als ein Musicalfan, kann ich die Show sehr empfehlen, da sie doch einen sehr guten Eindruck von der Geschichte des Showbiz in Las Vegas wiedergibt und sehr gut inszeniert ist.
Von der Vorstellung selbst durfte man leider keine Fotos machen. Hier könnt Ihr aber bei Interesse einen kleinen Eindruck gewinnen: https://www.youtube.com/watch?v=1-2ECytiPtk
Der Spieler
Nach diesem perfekten Abend haben wir noch ein Bier im Kasino unseres Hotels zu uns genommen. Neben uns saß ein waschechter Spielsüchtiger und uns bot sich ein wahrlich interessantes Schauspiel: Selbstverständlich sind im Tresen, wie in jedem Kasino, an jedem Platz Spielautomaten eingebaut, damit es auf keinen Fall eine Unterbrechung beim Zocken gibt. Mich wundert es, dass es keine Automaten auf der Toilette gab. Der Mann war um die 50, wohl ein Einwohner Las Vegas’ und sah eigentlich ganz normal aus. Jedenfalls hat er irgendeine Art Kartenspiel auf dem Bildschirm vor sich gespielt, bei dem er scheinbar immer nur eine Taste zu betätigen brauchte und natürlich ständig Geld einwerfen musste. (Diese Automaten, ebenso wie wie die Einarmigen Banditen habe ich bis heute nicht durchschaut.)
Er war schon vor uns an der Bar und schien klar auf der Verliererstraße zu sein, denn er hämmerte in einer Tour verzweifelt auf die Taste, führte Selbstgespräche und fluchte und schluchste dabei zugleich. Man hörte immer nur “oh my god“, “son of a bitch“, “holy christ“, “shit“, “look at that” oder “fuck“. Immer wieder hat er geschluchst und verzweifelt gejammert. Das war schon recht amüsant mitanzusehen. Nach einiger Zeit hatte er offenbar alles verspielt. Desillusioniert stand er auf und ging hinter uns mit den Worten “This motherfucking machine just eats me alive” durch die Tür nach draußen in die dunkle Nacht. Wahrscheinlich hatte er soeben den ganzen Wochenlohn seines schlechtbezahlten Jobs verloren. Unter Anbetracht der hohen Suizidrate in Las Vegas war das dann doch nicht mehr so lustig.
Why lie
Dann noch eine kleine Anekdote zum Schluss: Als wir am letzten Tag mittags über den Strip gingen, um uns noch ein paar Kasinos anzusehen (die großen sollte man sich auf jeden Fall mal ansehen), sahen wir auf dem Bürgersteig einen Obdachlosen sitzen, der ein Schild vor sich hielt, auf dem stand “Why lie – need beer“. Ich hielt das für eine sehr charmante, weil ehrliche und selbstironische Art zu betteln. Steffi muss wohl zu lange in der Sonne gestanden haben, denn sie fragte mich daraufhin: “Wer ist eigentlich Why Lie?” Ich sagte zunächst nichts dazu. Einen Moment später, als wir weiter gingen, bemerkte sie ihren Gehirnfurz und unser Gelächter war groß.
Ja, so war das in Las Vegas. Eine einziartige, verrückte, ambivalente Stadt, mitten in der Wüste, die man möglichst bei einem USA-Besuch mal erleben sollte. Nun geht es auf nach Chicago.
Bis denn, ahoi!
Ihr macht ja Sachen! Interessant euer Bericht! Freu mich auf Chicago!